Ein Schwerpunkt der ständigen Ausstellung im Museum Burg Posterstein behandelt die europäische Salongeschichte. Ausgehend vom Salon der Herzogin von Kurland im benachbarten Löbichau tauchen wir ein in die Zeit zwischen Französischer Revolution und Wiener Kongress.


Von Kurland nach Löbichau

Am 3. Februar 1761 wird Johann Friedrich von Medem in Mesothen, Kurland, weit entfernt von den politischen und geistigen Zentren Europas, eine Tochter geboren: Anna Charlotte Dorothea. Man lässt ihr, der Halbschwester der Literatin Elisa von der Recke, eine standesgemäße Bildung angedeihen und verheiratet sie im zarten Alter von 17 Jahren an keinen Geringeren als den Landesherren: Peter Biron, Herzog von Kurland. Der 55-jährige stellt seinerseits bestimmte Erwartungen an seine schöne junge Frau: ein Erbe soll her, ein Erbe, der die Kontinuität des herzoglichen Hauses sichert.

Eine junge Frau in der Gesellschaft der Großen Europas

Die Kinder stellen sich ein, aber bis auf einen zum großen Leidwesen des Paares früh verstorbenen Sohn, sind alle weiblich und noch dazu schön. Und das Herzogtum gerät in politische Turbulenzen, in das Spannungsfeld der großen Mächte: Russland, Österreich, Preußen. Der Herzog, ein Finanzgenie, aber zu politischer Diplomatie kaum fähig, schickt seine anmutige Frau ins Feld und so tritt Anna Dorothea 1790 in die Gesellschaft der Großen Europas ein, verhandelt in Warschau, in Berlin, emanzipiert sich von ihrem Ehemann, glänzt in den Salons und macht neue amouröse Bekanntschaften.

Schloss Löbichau wird ihre Residenz

„diniert, dann viel spazieren gegangen bis zur neuen Allee die nach Posterstein führt.” (Herzogin von Kurland, 9. September 1810)

Schloss Löbichau, Ansichtskarte von 1904 (Museum Burg Posterstein)
Schloss Löbichau, Ansichtskarte von 1904 (Museum Burg Posterstein)

Eine eigene Residenz muss her. Die Wahl fällt auf Löbichau. Der Herzog stirbt und hinterlässt ein fürstliches Vermögen. Zu den Aufgaben der Mutter gehört es, die Töchter standesgemäß zu verheiraten. Glückliche Ehen entstehen nicht, aber die Hochzeit der jüngsten Tochter mit Edmond de Talleyrand- Périgord, einem Neffen des französischen Außenministers bringt die ersehnte Verbindung in die Welthauptstadt Paris und die Bekanntschaft eines der einflussreichsten und umtriebigsten Politikers der Zeit – Charles Maurice de Talleyrand.

Der historische Hintergrund: Das Baltikum im Interesse von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

Nicht erst seit dem Beitritt zur Europäischen Union rückt das Baltikum ins Blickfeld des Interesses von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Europa begreift die drei kleinen Ostseeanrainer als Teil seiner Kultur und die Länder selbst gewinnen immer mehr das Selbstverständnis der Zugehörigkeit zu einem Kulturkreis, dem sie in der Geschichte keineswegs isoliert gegenüber standen. Schließlich bildeten die baltischen Staaten früher gleichsam ein Verbindungsglied zwischen West- und Mitteleuropa auf der einen und Russland auf der anderen Seite. Gepflegt wurde diese Kultur des Changierens zwischen West und Ost zuvorderst von der herrschenden Adelsgesellschaft mit den Herzögen von Kurland an der Spitze.

Die Herzogin von Kurland – eine selbstbewusste Europäerin

Sie waren es, die ihre politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen europäisch ausrichteten und am Ende des 18. Jahrhunderts in der Auseinandersetzung um Polen gar vollständig gen Westen orientierten. Peter von Kurland verfügte über das Wissen und die Mittel, in Europa zu investieren und ermöglichte sich und seiner Familie den Schritt in die einflussreichen und gebildeten Kreise der deutschen Staaten, Frankreichs und Österreichs. Seine fernab der großen Höfe aufgewachsene Gattin Anna Dorothea entwickelte sich so zu einer selbstbewussten Europäerin, die, um in der männlich dominierten Politikwelt mitspielen zu können, die einzigen einer Frau jener Zeit verfügbaren Mittel geschickt einsetzte und sich zunehmend zu emanzipieren wusste – eine Eigenschaft, die ihre Töchter schnell annahmen.

Vermittlerin zwischen Kultur und Politik

Die Herzogin Anna Dorothea von Kurland (1761-1821), eine schöne, begehrte und vor allem reiche Dame der herrschenden europäischen Adelsgesellschaft, gehörte zu jenen bekannten Salonièren des 19. Jahrhunderts, die weltoffen und geistreich gleichsam als Vermittlerinnen von Kultur und Politik agierten. Ihr Medium war die Konversation. Als Herzogin erhielt Anna Dorothea Zugang zu den höchsten gesellschaftlichen Kreisen, besonders zu den Höfen in Berlin, St. Petersburg und Paris: Metternich, Alexander I., Friedrich Wilhelm III., Napoleon und Talleyrand kannte sie persönlich. Dieser Umstand ermöglichte ihr einen ganz speziellen Anteil an der Gestaltung europäischer Geschichte.

Schloss Löbichau: Strategisch günstig zwischen Berlin und Karlsbad, Dresden, Erfurt, Jena und Weimar

Nach der Abtretung des Herzogtums Kurland an Russland nahm die Herzogin 1795 ihren Wohnsitz in ihrer neu erworbenen Residenz Löbichau. Dieser alte mitteldeutsche Adelssitz, unweit von Posterstein, liegt strategisch günstig, auf halbem Weg zwischen Berlin und Karlsbad, zwischen Dresden und Erfurt und in der Nähe der damaligen geistigen Zentren Weimar und Jena. Die Herzogin arrangierte in ihren Schlössern Löbichau und Tannenfeld ein reges gesellschaftliches Leben, das Politik, Literatur, Malerei, Musik und Wissenschaft vereinte. Hier traf man sich zu politischen Disputen, Vorträgen, Festen, Theateraufführungen, Lesungen oder Konzerten.

Manchmal weilten 300 Gäste gleichzeitig in Löbichau

Der Salon war einer der bekanntesten seiner Art im beginnenden 19. Jahrhundert. Seine Impulse resultieren aus den erstklassigen Beziehungen der Herzogin zu den höchsten gesellschaftlichen Kreisen Europas, aus dem damit verbundenen Netzwerk der Personen und Beziehungen und aus den Aufenthalten der Herzogin in bekannten Berliner und Pariser Salons und den Begegnungen im mondänen Karlsbad. Zeitweise weilten bis zu dreihundert Gäste gleichzeitig am Ort, der Bekannteste war Zar Alexander I. von Russland, der 1808 Löbichau besuchte, um eine Verbindung mit der Familie Talleyrand zu vermitteln.

Auf den Spuren der Herzogin von Kurland: Im Museum Burg Posterstein, in Großstechau, Löbichau und Tannenfeld

In den barocken Räumen der Burg Posterstein werden Expositionen zur Geschichte der Region gezeigt. Dabei bildet die ständige Ausstellung über den Salon der Herzogin von Kurland im Schloss zu Löbichau einen besonderen Schwerpunkt. Sie gibt einen Überblick über die politischen und historischen Ereignisse, berichtet über das Reisen im damaligen Europa und über die Zeit am Musenhof auf Schloss Löbichau. Passend zu einem Museumsbesuch bietet sich auch ein Ausflug in die nähere Umgebung zu den Schlössern Löbichau und Tannenfeld, oder zur Kirche Großstechau an. Beide Schlösser sind allerdings nur von außen besichtigen, die Kirchgemeinde ermöglicht auf Anfrage den Zutritt zur Hauskirche der Herzogin in Großstechau.

Die Quellen zum Musenhof Löbichau

Die Erben Anna Dorotheas von Kurland, die Familie von Tümpling, übergaben Tagebücher und Briefe der Universitätsbibliothek Jena. Diese Quellen beginnen mit einem sehr lückenhaften brieflichen Nachlass im Jahr 1787 und setzen sich fort mit einem umfangreichen Tagebuchbestand von 1802 bis 1821. Die neunzehn Bände dokumentieren Zeitgeschichte, erzählen von Politik, von Personen, von Tagesabläufen, von wichtigen und unwichtigen Dingen, von der Geburt der Enkel und vom Tod von Freunden, berichten über ganz Persönliches oder über hoch Offizielles aus dem Leben dieser Frau. Weitere Informationen dazu.

Sammlung Kurland

Ein Teil des Sammlungsbestandes im Museum Burg Posterstein widmet sich der Herzogin Anna Dorothea von Kurland und ihren Zeitgenossen. Hier finden Sie eine Auswahl.

Weitere Informationen:

Der Landkreis Altenburger Land ließ das Schloss Löbichau 2009 bis auf die Fassade abreißen und neu bauen. Davon und von den damit verbundenen archäologischen Grabungen erzählt unser Blogartikel “Austern unterm Schloss”