Schmöllner Knöpfe: Weltruhm mit dem Steinnussknopf
Ausgehend von der geschichtlichen Entwicklung der Knopfindustrie im thüringischen Schmölln erfolgte seit den 1950er Jahren die Anlage einer umfassenden Sammlung im Museum Burg Posterstein. Das so selten aufgegriffene Thema industrieller Vergangenheit bietet einen interessanten Rahmen, denn es scheint gerade die dominierende Rolle einzelner Produktionszweige zu sein, die immer wieder maßgeblichen Einfluss auf den Lauf der Geschichte ganzer Landstriche nimmt.
Ansatz für die Sammlung bildete nicht die vom kunsthistorischen Standpunkt aus betrachtete Entwicklung des Knopfes an sich, sondern die museale Dokumentation einer industriehistorischen Entwicklung mit all seinen Begleiterscheinungen. So findet man im Bestand über 1800 Musterknopfkarten mit tausenden, in Schmölln hergestellter Steinnuss-, Horn- und Kunststoffknöpfen, ferner Schriftgut, Fotografien, Anschauungs- und Dokumentationsmaterialien, Rohstoffe zur Knopfherstellung und letztlich Knopfmaschinen.
Schmöllner Knöpfe prägen die Stadtgeschichte
Die Entstehung und Entwicklung der Knopfindustrie erlangte in den letzten 120 Jahren prägenden Einfluss auf den Verlauf der Geschichte der Stadt Schmölln.
Der Umsicht des Unternehmers Donath ist es zu danken, dass die historischen Maschinen bei der Umstellung der Produktion der Firma Valentin Donath in den 1950er Jahren nicht vernichtet, sondern in die Sammlung des regionalen – damals “Kreismuseums” – Burg Posterstein eingebracht wurden. Der ehemalige Betriebsleiter der Schmöllner Knopffabrik Jochen Rahm beschaffte gemeinsam mit Gleichgesinnten die neueren Produktionsmaschinen für diese Schau.
Mit der Orientierung der Stadt Schmölln auf ein den Knopf ins Zentrum stellendes Marketingkonzept, rückte in den letzten Jahren auch das Interesse an einer geschichtlichen Darstellung der Herstellung dieses nicht unwichtigen Alltagsgegenstandes in den Mittelpunkt städtischer Bemühungen. Folgerichtig gründete die Stadt 1997 ein Knopf- und Regionalmuseum in einem sanierten Fachwerkhaus in der Nähe der alten Produktionsstandorte. Eine repräsentative Schau mit einer Auswahl von Exponaten aus der Sammlung des Museums Burg Posterstein bildet seither den Grundstock der ständigen Ausstellung zur Schmöllner Knopfindustrie.
Die Ausstellung im Stadtmuseum Schmölln
Für das Stadtmuseum in Schmölln entwickelte das Museum Burg Posterstein 1997 ein Konzept und realisierte eine Ausstellung zur Schmöllner Knopfindustrie. Auf rund 100 qm Ausstellungsfläche entstand eine amüsante Wanderung durch die Welt des Schmöllner Knopfes, in welcher der Knopf in seiner ureigensten Bedeutung – dem Auf- und Zuknöpfen – immer präsent ist. Die Exposition ist strikt nach Materialarten der Knöpfe konzipiert, ohne dabei auf die nötigen historischen oder technischen Hintergründe zu verzichten. Der Bogen spannt sich von der Steinnuss und deren Verarbeitung, über die Hornknopfherstellung, die Fertigung von Perlmutter-, Holz-, Metall- oder Lederknöpfen bis zur Produktion von Kunststoffknöpfen in heutiger Zeit. Es wurde der Versuch unternommen, geschichtliche Entwicklungen zu verdeutlichen und dem interessierten Besucher mittels Video nahezubringen.
Eine repräsentative Schau mit einer Auswahl von Exponaten aus der Sammlung des Museums Burg Posterstein ist seit 1997 im Knopf- und Regionalmuseum Schmölln zu sehen. Am 6. Dezember 2005 konnte die Schau durch einen weiteren, ebenfalls vom Museum Burg Posterstein konzipierten Ausstellungskomplex in der Ronneburger Straße erweitert werden. Dieser Teil der Exposition konzentriert sich auf dem Bestand an Knopfmaschinen. Sie baut inhaltlich auf der vorhandenen Ausstellung zur Geschichte der Schmöllner Knopfindustrie auf und beschränkt sich folgerichtig auf die technischen Aspekte der Knopfherstellung in Schmölln.
Die Geschichte: Schmölln erlangte Weltruhm mit dem Steinnusknopf
In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts erlebte Deutschland einen bis dahin nicht gekannten Aufschwung seiner wirtschaftlichen Entwicklung. Industrialisierung, zunehmende Nachfrage nach Industrieerzeugnissen, der Einsatz der Dampfkraft als entscheidendes Antriebselement, der Ausbau des Eisenbahnnetzes, die Bildung von Aktiengesellschaften, der Abbau der Zollschranken, die Einführung der Gewerbefreiheit und Freizügigkeit der Landbevölkerung bewirkten eine grundlegende Veränderung der bisherigen Verhältnisse.
Im Zuge dieser Entwicklung und einer Reihe weiterer günstiger infrastruktureller Bedingungen konnte sich auch die Stadt Schmölln zum Industriestandort profilieren. Bis dahin verkörperte die Stadt eine Art Ackerbürgerstädtchen, in dem sich die Bürgerschaft auf Grundbesitz, Ackerbau, Viehzucht und ein gut entwickeltes Handwerk stützte. Neben der Aufhebung des Dienstzwanges 1837, der Einführung der Gewerbefreiheit 1863 und der Freizügigkeit der Bevölkerung 1867 im Herzogtum Sachsen-Altenburg, scheint es wohl eben dieser Charakter der Stadt gewesen zu sein, welcher die Ansiedlung von Industriebetrieben ermöglichte. Neben dem Erwerb von günstigen Bauland und der Fertigstellung der Eisenbahnlinie Gößnitz – Gera 1865, war auch der fortschreitende Niedergang der Weberei und die damit verbundene Freisetzung von Arbeitskräften eine der Grundlagen für den Beginn der Industrialisierung in Schmölln.
Unter diesen günstigen Voraussetzungen verlegte der Perlmutterdrechsler Hermann Donath seinen Betrieb nach Schmölln und meldete 1863 ein Gewerbe als Knopfmacher an. Auf der Suche nach neuen Rohstoffen reiste ein Jahr später Valentin Donath im Auftrag seines Bruders nach Berlin, um dort Kenntnisse über die Verarbeitung von Steinnüssen zu erwerben. Steinnüsse wurden in jener Zeit von Schiffen, die ohne Fracht von Amerika nach Deutschland zurückfuhren, als Ballast geladen, um dann im Hamburger Hafen billig verkauft zu werden. In Berlin beschäftigten sich verschiedene Holzdrechslereien mit diesem Rohstoff und nach der Rückkehr Valentin Donaths begann man dann 1867 mit der Steinnussknopfherstellung mittels Handdrehbänken in Schmölln.
Donaths Beispiel sorgte für eine Initialzündung und einen bis dahin nicht gekannten Aufschwung in der Stadt. Im Zeitraum von 1867 bis 1870 waren vier Gewerbeanmeldungen als Knopfmacher zu verzeichnen, 1871 bis 1880 entstanden sieben, zwischen 1881 und 1890 weitere 14 und bis um 1900 nochmals acht Knopffabriken.
Nach zwischenzeitlichen Höhen und Tiefen war 1913/14 der Höhepunkt dieser Entwicklung erreicht und Schmölln erlangte Weltruhm mit einem Produkt: dem Steinnussknopf. Daneben produzierte man in Schmölln Knöpfe aus Horn, Holz, Leder, aus Vulkanfiber, Galalith oder Zelluloid und aus verschiedenen Kunststoffen.
In späterer Zeit konnte nie wieder an diese Hochzeit angeknüpft werden. Seit der Weltwirtschaftskrise verlor Schmölln immer mehr Marktanteile, begleitet von Firmenkonkursen und erheblicher Arbeitslosigkeit.
Nach 1945, als Schmölln seinen Namen als Knopfstadt längst eingebüßt hatte, verlagerte sich die Produktionsstruktur in andere Branchen, gleichwohl weiterhin Knöpfe, vor allem aus Polyester hergestellt wurden.
Heute existiert in Schmölln noch eine Knopffabrik, welche hauptsächlich Polyester-, aber auch wieder Steinnussknöpfe herstellt und ein Handwerksbetrieb für Hirschhornknöpfe. Damit sind Schmöllner Knöpfe auch weiterhin am Markt präsent.
Die Steinnuß-Palme stammt aus Südamerika
Der Name Steinnuß bezieht sich auf den Samen der Früchte der Steinnußpalme, Phytelephas microcarpa RUIZ & PAVON und Phytelephas macrocarpa RUIZ & PAVON. Diese Palmenarten sind in den tropischen Gebieten Südamerikas (Kolumbien, Ekuador, Peru) heimisch und bilden dort an Flußufern der Ebenen und des Bergvorlandes reiche Bestände. Dabei stehen die stammlosen Palmen so dicht, daß sich unter ihnen keine Bodenvegetation ausbilden kann. Heute wird die Tagua-Palme auch außerhalb ihrer angestammten Gebiete kultiviert, beispielsweise in Indien, Sri Lanka und Afrika. Als wichtigste Exportländer treten Kolumbien, Ekuador, Peru, Panama und Brasilien auf.
Einen weiteren Rohstoff der Steinnussknopfherstellung bildete die Frucht der afrikanischen Dum-Palme, die Dum-Palmnuss, auch nach ihrer Herkunft Sudan-Nuss oder ihrem Einfuhrnahmen Eritrea-Nuss, benannt. Die Dum-Palme kommt im östlichen Äquatorialgebiet, besonders Jemen, Eritrea, dem Nilgebiet, Äthiopien oder dem Sudan vor.
Schließlich fanden auch noch die Austral- oder Tahitinüsse, die aus Australien und von den Inselgruppen im Stillen Ozean eingeführt wurden, Verwendung.
Wie aus Steinnüssen Knöpfe werden
Die Verarbeitung der Steinnüsse erfolgte in mehreren Arbeitsgängen, worüber bereits die Berufsbezeichnungen der Arbeiter, wie Anbohrer, Ausbohrer, Abschneider, Dreher, Löchner, Nußschneider, Färber oder Hülsenleser Aufschluß geben.
Die Bearbeitung geschah spanabhebend. Zunächst war die Steinnuss von ihrer harten Schale manuell durch Abklopfen zu befreien. In der Anfangszeit bewältigte man diese Tätigkeit in Heimarbeit, später mit Abklopftrommeln. Danach wurden die Nüsse mittels Kreissägen (Sägemaschinen) in Platten oder Scheiben zersägt, wobei der Arbeiter die Nuss mit den Zeigefingern der Hände haltend durch das Sägeblatt führen musste. Dieser Arbeitsgang erwies sich als besonders gefährlich und abgesägte Fingerkuppen sollten bald zum Kennzeichen eines Knopfarbeiters gehören.
In der Fabrikation unterschied man zwei Systeme, das ältere ‘Anbohrsystem’ und das ‘Plattensystem’. Beim Anbohrsystem wurde die Nuss in zwei Hälften zersägt, wobei der Anbohrer je nach Knopfart die Vorderseite oder die Rückseite des Knopfes auf die jeweilige Nusshälfte ‘anbohrte’. Der Ausbohrer bohrte dann im nächsten Arbeitsgang die angebohrten Knöpfe von der Rückseite her aus. Im Resultat beider Arbeitsgänge entstand der rohe Knopf, dessen rauhe Oberfläche auf der ausgebohrten Seite durch den Abschneider glatt geschnitten werden musste. Im Unterschied dazu wurde bei der Fertigung im Plattensystem die Nuss in Scheiben (Platten) zersägt. Im Regelfall erhielt man dabei 4 Platten. Danach gelangten diese in die Fräserei, wo durch Ausfräsen der Rondelle aus der Platte der Rohknopf, ähnlich wie beim Anbohrsystem, entstand. Nach dem Sortieren der Scheiben (Scheibensortiermaschine) bohrte man also die Knopfrohlinge, Rondelle aus. Dafür wurden verschiedene Arten von Bohrmaschinen verwendet.
In heutiger Zeit werden diese Arbeiten größtenteils in den Anbauländern, beispielsweise Ecuador, ausgeführt, so dass die Knopffirmen fertige Rondelle in allen gewünschten Größen ordern und in der heimischen Fabrik die Endfertigung der Knöpfe realisieren können.
Den vorab beschriebenen Arbeitsgängen folgten das Drehen der Vorderseite des Knopfes, das sogenannte Gesichtdrehen, das Bohren der Annählöcher und das Fassschleifen und Polieren zur Beseitigung von Unebenheiten. Durch Färben und Spritzen, Fasspolieren, Hochglanzpolieren und Aufpressen eines Dekors konnte man letztlich dem Knopf das gewünschte Aussehen verschaffen. Der Arbeitsgang Schleifen und Polieren dauerte bis zu einer Woche, wobei die Knöpfe die ganze Zeit über mit Stearinöl und Kreide poliert wurden. Im nächsten Schritt konnte der glänzende weiße Knopf je nach Sortiment gefärbt werden. Hierzu musste das Spritzen mit Farbe und Lack, mittels Schablonen, bis zu fünfmal vorgenommen werden (Schablonierung), um dann darauf folgend durch Einfärben dem Knopf seine Grundfarbe zu verleihen.
Der so behandelte Knopf musste im nächsten Fertigungsschritt auf Grund der Feuchtigkeit beim Färbeprozess mehrere Tage luftgetrocknet und im Anschluss nochmals 48 Stunden in einer Poliertrommel nachpoliert werden. Durch Aufpressen eines Dekors mit sogenannten Stahlguillochen erhielt man endlich den fertigen Knopf, welcher sortiert nach Farbtönen und Mustern, auf Karten aufgenäht in die Versandabteilung gelangte. Abschließend sei erwähnt, dass die Dekore der Knopfkollektionen durch freiberufliche oder angestellte Graveure entwickelt wurden, während die Färber die Firmenrezepte aus Konkurrenzgründen geheim hielten.
Zum Weiterlesen
Weitere ausführliche Informationen zur Sammlung Schmöllner Knöpfe im Museum Burg Posterstein
Weitere Informationen zum Geschichtlichen Hintergrund
Weitere Informationen finden Sie in unserer Publikation zur Knopfsammlung:
Schmöllner Knöpfe – Aus der Geschichte der Schmöllner Knopfindustrie
Klaus Hofmann. Museum Burg Posterstein, 1995
Preis: 5,00 Euro
Erhältlich im Museum, auch per Post. Bestellung via (034496) 22595 oder museum@burg-posterstein.de.